Hämoglobinopathien – Thalassämien und anomale Hämoglobine

Hintergrund und Anforderung von Untersuchungen

Weltweit sind ca. 5 % der Bevölkerung Anlageträger von Hämoglobinopathien. Durch die anhaltende Migration spielen sie mittlerweile eine relevante Rolle in der hämatologischen Praxis. So ist die Thalassämie bei PatientInnen mit entsprechendem genetischen Hintergrund zu einer häufigen Differentialdiagnose bei der Abklärung der Ursache einer mikrozytären, hypochromen Anämie geworden. Zusammen mit den anomalen Hämoglobinen zählen diese in Summe zu den häufigsten hereditären Erkrankungen. Auch uns erreichten in der Vergangenheit regelmäßig Anfragen zu entsprechender Diagnostik. 

Um unseren KollegInnen eine zentrale Anlaufstelle für diesen an Relevanz und Häufigkeit zunehmenden Krankheitskomplex zu bieten, haben wir am MLL unser Untersuchungsspektrum um die komplette Diagnostik zur Identifizierung und Charakterisierung von Hämoglobinopathien erweitert.  

Die Anforderung erfolgt über einen eigenen Untersuchungsauftrag. Es werden 1 x 3 ml EDTA-Blut (Standard Blutbildröhrchen), 1 x 7,5 ml EDTA-Blut, 1 x 7,5 ml Serum und die Einwilligung des Patienten zur Durchführung genetischer Analysen gemäß Gendiagnostikgesetz benötigt.


Typische Indikationen für die Untersuchung auf eine Hämoglobinopathie sind:

  • Hypochromie und/oder Anämie bei vorherigem Ausschluss eines Eisenmangels 
  • Chronische hämolytische Anämie 
  • Gefäßverschlüsse ungeklärter Ätiologie 
  • Rezidivierende Schmerzkrisen 
  • Unerklärte, schwere Infektionen 
  • Hydrops fetalis-Syndrom 
  • Positive Familienanamnese 


    Einteilung von Hämoglobinopathien

    Hämoglobinopathien umfassen angeborene quantitative (Thalassämien) oder qualitative (anomale Hämoglobine) Störungen der Synthese der Globinketten des Hämoglobins. Die häufigsten Formen der Thalassämien sind die α-Thalassämie und β-Thalassämie. Das klinische Spektrum reicht von Blutbildveränderungen ohne klinische Symptome bis hin zur Transfusionsabhängigkeit. Von besonderer Bedeutung bei den anomalen Hämoglobinen ist das HbS, das der Sichelzellerkrankung zugrunde liegt. Diese geht mit chronischer hämolytischer Anämie, rezidivierenden vaso-okklusiven Schmerzkrisen und daraus resultierenden Organschäden einher. Andere, regelmäßig vorkommende Hämoglobinnstrukturvarianten sind das HbC, HbE und HbD. 


    Diagnostische Methoden

    • Hämoglobin-Differenzierung: Mittels hochauflösender Kapillarelektrophorese werden die unterschiedlichen Hämoglobinfraktionen aufgetrennt und quantifiziert. Dies ergibt Hinweise auf Störungen im β-Globingen-Komplex oder schwere Formen einer α-Thalassämie 

    • Molekulargenetik: Abhängig von den Befunden werden dann molekulargenetische Methoden eingesetzt, um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen. Zum Einsatz kommen die MLPA (Multiplex Ligation-dependent Probe Amplification) zum Nachweis einer α-Thalassämie, und die Sequenzierung mittels Next-Generation-Sequenzierung (NGS) zur Bestätigung von anomalen Hämoglobinen oder einer β-Thalassämie. Seltene Formen (wie die (γ)δβ-Thalassämie oder instabile Hämoglobine) werden ebenfalls mit MLPA oder NGS nachgewiesen. 

     
    Untersuchungsangebot des MLL

    Alle oben genannten Methoden werden ab sofort im MLL routinemäßig angeboten. Wir hoffen, den Wünschen unserer einsendenden KollegInnen damit entgegenzukommen. Für Fragen zum Thema oder zum diagnostischen Procedere nehmen Sie gern Kontakt mit Dr. Dr. med. Armin Piehler auf.

    Der Autor

    »Sie haben Fragen zum Artikel, zum diagnostischen Vorgehen oder wünschen weitere Informationen zu Hämoglobinopathien? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

    Dr. Dr. med. Armin Piehler, PhD MM

    Leitung Benigne Hämatologie

    T: +49 89 99017-357