Die neue WHO-Klassifikation – was uns erwartet

Seit der letzten Aktualisierung der WHO-Klassifikation hämatologischer Neoplasien sind bereits fünf Jahre vergangen. Seitdem wurden viele Erkenntnisse speziell in Bezug auf genetische Veränderungen hinzugewonnen. Mit jeder Aktualisierung der WHO Klassifikation traten rein morphologische Kriterien in den Hintergrund und genetische Parameter wurden zunehmend relevant. Das MLL durfte seine Expertise in die neue WHO Klassifikation einbringen. Vor Veröffentlichung der gesamten Klassifikation wurden die wesentlichen Änderungen bereits in der Zeitschrift Leukemia präsentiert. In einem Leitartikel (I.A. Cree, Leukemia 2022) wird der Prozess der Rekrutierung der Autoren sowie der Erstellung des Konzeptes und des Inhaltes dargestellt. Die wichtigsten Neuerungen bei der Klassifikation der myeloischen (Khoury et al. Leukemia 2022) bzw. lymphatischen (Alaggio et al. Leukemia 2022) Neoplasien wurden in zwei Publikationen zusammengefasst. Inzwischen ist auch die Beta-Version des vollständigen WHO-Buches online verfügbar. Die wichtigsten Neuerungen haben wir in Kurzform für Sie extrahiert.


Die wichtigsten Änderungen im Überblick


Neues bei den myeloischen Neoplasien 


Neu: Vorläufer-Läsionen von myeloischen Neoplasien

In der Gruppe der myeloischen Neoplasien wurden erstmals Vorläufer-Läsionen als Entitäten aufgenommen: die klonale Hämatopoese mit spezieller Definition der klonalen Hämatopoese von unbestimmtem Potential (CHIP) sowie der klonalen Zytopenie unbestimmter Signifikanz (CCUS). Hiermit wurde eine weltweit einheitliche Definition geschaffen, die für zukünftige Studien eine bessere Vergleichbarkeit ermöglichen wird.

Myelodysplastische Syndrome werden zu myelodysplastischen Neoplasien

Das myelodysplastische Syndrom wurde in myelodysplastische Neoplasie umbenannt, um auch im Namen zu verdeutlichen, dass es sich um eine Neoplasie handelt sowie zur Harmonisierung mit den myeloproliferativen Neoplasien (2001 noch myeloproliferative Erkrankungen/Syndrome) – die Abkürzung MDS wird jedoch beibehalten. Die MDS werden weiter unterteilt in zwei große Gruppen: MDS mit definierenden genetischen Veränderungen und morphologisch definierte MDS, wobei die morphologischen Kriterien vereinheitlicht werden und die Anzahl der Entitäten reduziert.

Akute myeloische Leukämien – überwiegend genetisch definiert

Bei den akuten myeloischen Leukämien werden die AML mit definierenden genetischen Veränderungen abgegrenzt von den AML, die basierend auf der Morphologie nach Differenzierung eingeteilt werden. Die Anzahl der genetisch definierten Entitäten hat im Vergleich zur Version von 2017 nochmals zugenommen. Auch die genetische Differenzierung bei den myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie wurde verfeinert.

Lymphatische Neoplasien holen auf – auch hier wird die Genetik stärker berücksichtigt

Während bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) der T-Zellreihe weiterhin keine genetischen Parameter zur Klassifikation herangezogen werden, wurden einige neue genetisch definierte Subtypen bei der ALL der B-Zellreihe ergänzt. Hier wurden bereits die neuesten Erkenntnisse der Transkriptom-Sequenzierung berücksichtigt. Somit wird es erforderlich, die RNA-Sequenzierung in die Routine-Diagnostik der ALL der B-Zellreihe zu integrieren. Das MLL wird hierzu einen diagnostischen Algorithmus vorschlagen. Die überwiegende Anzahl der Lymphom-Entitäten wird weiterhin histologisch und über den Immunphänotyp definiert.

Das MLL trifft aktuell alle Vorbereitungen, um nach der neuen WHO-Klassifikation diagnostizieren zu können. Es hilft dabei, dass für jede Entität die essenziellen sowie darüber hinaus wünschenswerten diagnostischen Kriterien von der WHO sehr konkret definiert werden. Sobald – voraussichtlich im Herbst 2022 – die 5. Auflage der WHO-Klassifikation vollständig als Online-Buch erscheint, werden wir diese auch in unseren Befunden umsetzen. Um uns allen den Übergang so leicht wie möglich zu gestalten, werden wir mehrere Fortbildungen zu diesem Thema veranstalten. In unserem MLL Magazin halten wir Sie auf dem Laufenden. Auch auf unserer Website mll.com werden wir detaillierte Informationen zur neuen WHO-Klassifikation zur Verfügung stellen.

Die Aktualisierung der WHO-Klassifikation stellt aus unserer Sicht einen großen Fortschritt dar, da unter Berücksichtigung der genetischen Parameter eine detailliertere biologische Definition der Entitäten möglich wird. Dies ist die wichtigste Voraussetzung für eine personalisierte Medizin.

Referenzen

Alaggio R et al. The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Lymphoid Neoplasms. Leukemia 2022.

Khoury JD et al. The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Myeloid and Histiocytic/Dendritic Neoplasms. Leukemia 2022.

I.A. Cree. The WHO Classification of Haematolymphoid Tumours.

Leukemia 2022

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Khoury et al. The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Myeloid and Histiocytic/Dendritic Neoplasms.

Leukemia 2022

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Alaggio et al. The 5th edition of the World Health Organization Classification of Haematolymphoid Tumours: Lymphoid Neoplasms.

Leukemia 2022

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Forbildungsveranstaltung zur neuen WHO-Klassifikation: Was ist neu? Was bleibt? Die Bedeutung für den diagnostischen Alltag und klinische Konsequenzen.

Die Fortbildungsveranstaltung fand am 27.07.2022 im MLL Münchner Leukämielabor vor Ort sowie virtuell statt. Hier gibt es die gesamte Präsentation mit allen Unterlagen als PDF.

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Vortrag von Dr. med. Christian Pohlkamp im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung

Wofür wird die Zytomorphologie künftig zentral bleiben?

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Vortrag von Dr. Martha-Lena Müller im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung

Bedeutung der Immunphänotypsierung

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Vortrag von Dr. Bettina Balk im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung

Die Rolle der klassischen Zytogenetik in der neuen WHO

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Vortrag von Dr. Manja Meggendorfer im Rahmen der Fortbildungsveranstaltung

Alte und neue molekular definierte Entitäten

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Die Autoren

»Sie haben Fragen zum Artikel oder wünschen weitere Informationen? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Prof. Dr. med. Claudia Haferlach

Geschäftsführung
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Leitung des Ressorts Diagnostik

T: +49 89 99017-400

»Sie haben Fragen zum Artikel oder wünschen weitere Informationen? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach

Geschäftsführung
Internist, Hämatologe und Onkologe
Stellvertretende Bereichsleitung Zytomorphologie

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