Das MLL auf dem 65. ASH Annual Meeting & Exposition – ein Nachbericht 

Auch 2023 stand das Annual Meeting & Exposition der American Society of Hematology (ASH) fest im Kalender zahlreicher MLL-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Kongress fand bereits zum 65. Mal statt, dieses Jahr vom 09.-12. Dezember in San Diego, Kalifornien. Insgesamt war das MLL mit 15 Beiträgen – als Vortrag, Poster oder Abstract only – vertreten.

Künstliche Intelligenz in der hämatologischen Routinediagnostik

Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) ist auch in der hämatologischen Routinediagnostik ein Themenfeld, das aus Diskussionen und Symposien nicht mehr wegzudenken ist. MLL-Gründer und Geschäftsführer Prof. Dr. med Dr. phil. Torsten Haferlach führte dazu auf dem ASH den Vorsitz in der Special Interest Session „AI in Hematology: Where do you stand in 2023?“.

Zwei weitere MLL-Beiträge konzentrierten sich auf KI-Anwendungen in der Immunphänotypisierung und der Zytomorphologie. Martha-Lena Müller entwickelte mit ihren KollegInnen ein KI-Modell, um reife B-Zellneoplasien anhand von Durchflusszytometrie-Daten zu klassifizieren und zu unterscheiden. Christoph Kornauth untersuchte im Team die KI-basierte Klassifikation in der Zytomorphologie, wobei die KI sieben relevante pathologische Muster in 872 Fällen mit akzeptabler Vorhersagewahrscheinlichkeit identifizieren konnte.

Ein Kontinuum im Blickpunkt: Von CCUS über MDS bis zur AML

Die aktuelle WHO-Klassifikation 2022 führt die klonale Hämatopoese unbestimmten Potentials (CHIP) und die klonale Zytopenie unbestimmter Signifikanz (CCUS) als eigene Entitäten und betrachtet sie zusammen mit der myelodysplastischen Neoplasie (MDS) und der akuten myeloischen Leukämie (AML) als dynamisches Krankheitskontinuum. Claudia Haferlach  schlug in ihrem ASH-Beitrag vor, die Klassifikation von CCUS, MDS und AML rein nach genetischen Parametern zu gestalten, um so das biologische Kontinuum dieser drei Entitäten zu reflektieren. Eine Reklassifizierung während des Krankheitsverlaufs wäre so ohne eine Änderung der Entität möglich.  Auch Constance Baer hat diese Entitäten untersucht und stellte in einem Vortrag vor, dass WHO-definierende Mutationen mehrheitlich frühe Ereignisse sind, was ihre Rolle als definierende genetische Anomalien unterstützt. Weitere initiale Mutationen wiesen jedoch darauf hin, dass MDS und AML aus klonaler Hämatopoese hervorgehen.

In einem weiteren Vortrag validierte Sandra Huber die Frage, ob peripheres Blut molekular- und zytogenetische Alterationen aus dem Knochenmark zuverlässig reflektieren kann. Ein Vergleich von Proben aus peripherem Blut und Knochenmark von 200 Patienten mit Zytopenie ergab ein hohes Maß an Überschneidungen, wodurch sich peripheres Blut als zuverlässiges Surrogat unter bestimmten Voraussetzungen empfiehlt.

Im Gegensatz zur WHO hat die ICC eine überlappende MDS/AML-Kategorie eingeführt, definiert durch einen Blastenanteil von 10-19% und die Abwesenheit von wiederkehrenden genetischen Veränderungen. In einem Vortrag präsentierte  Gregor Hörmann die Gruppierung einer MDS/AML-Kohorte nach den Kriterien des European LeukemiaNet (ELN) zur Risikostratifizierung, jedoch erfüllte keiner der 403 Patienten die Merkmale für die günstige ELN-Risikogruppe. Für eine adäquatere Risikostratifizierung haben die Autoren (Sandra Huber und Kollegen) die ELN-Kriterien modifiziert und so die prognostische Stratifizierung erheblich verbessert.

Weitere Subgruppen für die AML?

Genetische Parameter spielen eine immer größere Rolle in Klassifikation und Diagnostik. Die WHO 2022 klassifiziert inzwischen zahlreiche Entitäten in genetisch definierte Subtypen, wie beispielsweise bei der AML. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Subtypen werden weitere Gruppierungen vermutet. So postulierte Isolde Summerer myeloische Neoplasien mit MYC-positiven double minutes als eine eigenständige, genetisch definierte Entität. Dies stützen die Autoren auf ihre Studie, in der Fälle dieser Subgruppe oft der AML-MR (Myelodysplasie-assoziiert) zugeordnet werden können, aber auch in Abwesenheit genetischer Veränderungen, die zur Diagnose AML-MR führen, starke Dysplasien aufweisen. Zudem zeigen diese Fälle weitere sehr charakteristische morphologische Veränderungen, die zum Teil stark an die akute Promyelozytenleukämie erinnern, sowie ähnliche Genexpressionsprofile und charakteristische Mutationen. Auch Anna Stengel beschrieb eine Patientenkohorte, die mit der AML assoziiert ist und mit der seltenen, zytogenetischen Veränderung i(7)(p10) in Erscheinung tritt. Angelika Müller-Jochim betrachtete AML-Fälle mit der seltenen t(4;12)(q12;p13)-Translokation. Die Analyse mittels Whole Genome und Whole Transcriptome Sequencing lässt zwei Subgruppen unterscheiden, die sich durch unterschiedliche Breakpoint-Cluster-Regionen auf 4q12 und PDGFRA-Genexpression auszeichnen.


Weitere Informationen zu Forschungsprojekten am MLL finden Sie auf unserer Website. Die Links zu allen MLL-Beiträgen bei der diesjährigen ASH-Konferenz finden Sie hier:


Baer C et al. The frequency of clonal hematopoiesis prior to AML and MDS varies among the different molecularly defined WHO subtypes. https://doi.org/10.1182/blood-2023-179737

Ecker V et al. Lymphoma cell sorting to enrich low degree infiltration clonal B-cells for diagnostic delineation of molecular genetic background by NGS. https://doi.org/10.1182/blood-2023-188953

Haferlach C et al. (1) Whole genome and transcriptome sequencing of 21 paired chronic and blast phase CML cases:  Acquisition of genomic alterations, changes in the transcriptomic profiles and occurrence of B-cell receptor rearrangements. https://doi.org/10.1182/blood-2023-185867

Haferlach C et al. (2) A proposal for a classification of CCUS, MDS and AML primarily based on genetic abnormalities considering the biological continuum of these entities. https://doi.org/10.1182/blood-2023-179188

Huber S et al. (1) Modification of the ELN classification 2022 refines risk assessment in MDS/AML patients. https://doi.org/10.1182/blood-2023-179822

Huber S et al. (2) Parallel Genomic Analysis from Paired Bone Marrow and Peripheral Blood Samples of 200 Cytopenic Patients. https://doi.org/10.1182/blood-2023-174843

Huber S et al. (3) Genomic Landscape of CCUS Compared to MDS Indicates a Potential Applicability of the IPSS-M. https://doi.org/10.1182/blood-2023-177582

Huber S et al. (4) Classification of Philadelphia-negative MPN as Low Risk and High Risk MPN Based on Peripheral Blood Values and Molecular Genetics Only. https://doi.org/10.1182/blood-2023-174872

Kornauth C et al. Automated Cytomorphological Analysis of Bone Marrow Samples: A proof-of-principle study for AI-based Classification on a Real-Life Data Set of 979 unselected cases. https://doi.org/10.1182/blood-2023-188716

Müller H et al. Can whole genome and whole transcriptome sequencing replace standard procedures in CLL diagnostics? https://doi.org/10.1182/blood-2023-185732

Müller M-L et al. Artificial Intelligence (AI)-predicted medical diagnosis in suspected mature B-cell neoplasms based on flow cytometric raw data. https://doi.org/10.1182/blood-2023-189799

Müller-Jochim A et al. AML with t(4;12)(q12;p13): A detailed genomic and transcriptomic analysis reveals genomic breakpoint heterogeneity, absence of PDGFRA fusion transcripts and presence of PDGFRA overexpression in a subset of cases. https://doi.org/10.1182/blood-2023-180512

Sakuma M et al. M41 and non-M41 UBA1 variants differ in their alteration of hematopoiesis. https://doi.org/10.1182/blood-2023-188640

Stengel A et al. Characterization of Cases with the Rare Cytogenetic Abnormality i(7)(p10) Reveals an Association with IDH2 Mutated Acute Myeloid Leukemia. https://doi.org/10.1182/blood-2023-179844

Summerer I et al. Proposal of Myeloid Neoplasms with MYC-positive Double Minutes as a Distinct Entity. https://doi.org/10.1182/blood-2023-189902

»Sie haben Fragen zum Artikel oder wünschen weitere Informationen zum 65. Meeting der ASH? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Dr. rer. nat. Constanze Kühn

Medical Writer