Das MLL auf dem 64. ASH Annual Meeting & Exposition – ein Nachbericht

Das 64. Annual Meeting & Exposition der American Society of Hematology fand vom 10. bis 13. Dezember statt – in diesem Jahr vor Ort in New Orleans.

Das MLL war mit 20 Beiträgen – bestehend aus Talks und Poster-Präsentationen – dabei, diese umfassten die Themenfelder


In diesem Artikel möchten wir Ihnen die Forschungsprojekte vorstellen, die wir auf der ASH-Konferenz im Rahmen eines Vortrags präsentieren durften. Die Vortragsbeiträge des MLL decken eine große Bandbreite hämatologischer Themen ab - von Klassifikation über Genetik bis hin zu Prognostik und künstlicher Intelligenz. Darüber hinaus waren wir auch mit vielen Poster-Präsentationen vor Ort. Wenn Sie sich tiefergehend über diese – sowie über unsere Talks – informieren möchten, finden Sie am Ende dieses Artikels weiterführende Informationen zu allen diesjährigen Beiträgen.


Genetik als tragende Säule neuer Klassifikationen

Das Jahr 2022 hat große Veränderungen in der Hämatoonkologie mit sich gebracht. Allem voran die neue Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zusätzlich erschien die „international consensus classification“, was die Frage aufwirft: Erschwert die parallele Anwendung zweier Klassifikationen die Diagnostik für ÄrztInnen und PatientInnen? Dieser Frage widmen sich Huber et al. anhand der Beispiele AML und MDS und erarbeiten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Klassifikation nach WHO und ICC. Beiden ist gemein, dass die Genetik eine tragende Rolle einnimmt und die Genetik-basierten Definitionen an Bedeutung gewinnen. Dass die Suche nach der bestmöglichsten Klassifikation jedoch nie abgeschlossen ist, verdeutlicht das Projekt von Haferlach et al. So ist nach WHO und ICC die Zytomorphologie für die MDS-Diagnostik unersetzlich, obwohl diese Methode, im Gegensatz zur Genetik, natürlich eine gewisse Subjektivität aufweist. Wie die Ergebnisse von Haferlach et al. zeigen, wäre eine rein-genetische Klassifikation des MDS aber durchaus realisierbar und auch von klinischer Relevanz.


Genetik verbessert die Prognoseabschätzung

Die diesjährige Veröffentlichung des „Molecular International Prognostic Scoring System“ (IPSS-M) stellt eine wichtige Neuerung in der Prognoseabschätzung des MDS dar (Bernard et al. NEJM 2022). Durch Berücksichtigung molekulargenetischer Informationen verbessert der IPSS-M den bei MDS etablierten Prognose-Score IPSS-R. Die prädiktive Überlegenheit des IPSS-M gegenüber des IPSS-R validieren Baer et al. in einer unabhängigen Kohorte. Sowohl der IPSS-M als auch die personalisierten Prognosemodelle von Nazha et al. und Bersanelli et al. (beide JCO 2021) berücksichtigen molekulargenetische Faktoren. Wie Baer et al. jedoch zeigen, unterscheiden sich die drei molekularen Modelle in ihrer Selektion an Parametern. Besonders das Alter macht hier einen wichtigen Faktor aus. Hierdurch variiert die prognostische Aussagekraft des jeweiligen Modells, je nachdem, ob es um das Gesamtüberleben oder das leukämiefreie Überleben/die leukämische Transformation geht.

Sowohl die Klassifikation des MDS nach WHO 2022, als auch molekulare Prognose-Scores für MDS berücksichtigen TP53-Veränderungen. Diese können sich durch Deletion, Mutation oder kopienneutralen Verlust der Heterozygotie ergeben. Zu unterscheiden ist dabei der single-hit (eine der genannten Veränderungen) und der double-hit (≥2 Veränderungen). In einer Kohorte von 1.520 PatientInnen mit MDS und AML identifizieren Stengel et al. TP53 double-hit als den wichtigsten prognostischen Faktor. Die Inzidenz des TP53 double-hits scheint dabei abhängig vom Blastenanteil zu sein. Während bei Fällen mit TP53-Veränderung(en) bei MDS mit <5% Blasten noch der single hit überwiegt, herrscht bei MDS mit ≥5% Blasten sowie bei AML der double-hit vor.


Künstliche Intelligenz (KI) auf dem Weg in die Routine-Diagnostik

Auch wenn die Beiträge sehr unterschiedliche Schwerpunkte haben, zeigt sich doch die Entwicklung vom Phänotyp zum Genotyp als Gemeinsamkeit. Durch den steigenden Stellenwert der (Molekular-)Genetik entstehen zudem immer mehr hochkomplexe Daten. Um diese zukünftig auswerten und möglichst gut nutzen zu können, steigt gleichzeitig der Bedarf an künstlicher Intelligenz – auch in unserem Labor. In diesem Zusammenhang validieren Nadarajah et al. einen bereits vorgestellten Classifier nun in einer prospektiven Kohorte. Dabei gelingt es der KI, Proben mit großer Genauigkeit und hoher Geschwindigkeit 33 Entitäten zuzuordnen. Neben der Genetik findet künstliche Intelligenz auch in jeglichen anderen diagnostischen Bereichen der Hämatologie Einzug. Haferlach et al. zeigen für die Zytomorphologie mit der prospektiven BELUGA-Studie, dass eine KI-gesteuerte und Cloud-basierte Plattform zur Bereitstellung von Differentialblutbildern die Reproduzierbarkeit verbessert und Verarbeitungszeiten verkürzt.

Wenn Sie einen tieferen Einblick in unsere verschiedensten Forschungsprojekte wünschen, finden Sie Übersichten hierzu auf unserer Website. Weiterführende Informationen und Links zu den einzelnen Vorträgen und Postern bei der diesjährigen ASH-Konferenz finden Sie zudem im Folgenden:

»Sie haben Fragen zum Artikel oder wünschen weitere Informationen zum 64. Meeting der ASH? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Dr. rer. nat. Constanze Kühn

Medical Writer