Neues Diagnostikangebot des MLL: UGT1A1-Genotypisierung

24. Juni 2025

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass das MLL ab Juli 2025 die molekulargenetische Analyse des UGT1A1-Gens anbietet. Diese Untersuchung ermöglicht die Identifikation klinisch relevanter Polymorphismen, insbesondere der Varianten UGT1A1 *28 und UGT1A1 *6, die eine wichtige Rolle bei der Diagnostik des Morbus Meulengracht, sowie in der Pharmakogenetik bei medikamenteninduzierter Toxizität (z. B. Irinotecan, Nilotinib), spielen.

Das Gen UGT1A1 (Uridindiphosphat-Glucuronosyltransferase 1A1) kodiert für ein Enzym, das für die Glucuronidierung von Bilirubin und diversen Medikamenten verantwortlich ist. Veränderungen in diesem Gen können zu einer verminderten Enzymaktivität führen und folglich zu einer Hyperbilirubinämie (Morbus Meulengracht) und einem erhöhten Risiko für Medikamentennebenwirkungen, beispielsweise bei der Verabreichung von Irinotecan oder Nilotinib. Klinisch relevant sind insbesondere die Varianten UGT1A1 *28 (Promotor-Polymorphismus) und UGT1A1 *6 (kodierender Einzelnukleotid-Polymorphismus, kurz SNP), die allein oder in Kombination eine herabgesetzte Enzymaktivität verursachen und somit bei bestimmten Medikamenten zur besseren Risikoabschätzung und Therapieanpassung beitragen können.

Häufigkeit der genetischen Varianten des UGT1A1

Die Häufigkeit der UGT1A1-Polymorphismen variiert je nach ethnischer Herkunft:

  • UGT1A1 *28: In europäischen und afrikanischen Populationen ca. 30–40% Allelfrequenz. Homozygotie bei ca. 10–15%.
  • UGT1A1 *6: In europäischen Populationen sehr selten mit einer Allelfrequenz unter 1%, in ostasiatischen Populationen mit einer Frequenz von 13–23% deutlich häufiger; Homozygotie in ca. 5–10%.
  • Kombinierte Heterozygotie (*6/*28) ist ebenfalls möglich und klinisch relevant.

Indikationen für die genetische Testung

Die Genotypisierung des UGT1A1-Gens ist in folgenden Fällen sinnvoll:

  • Vor Beginn einer Chemotherapie mit Irinotecan
  • Bei geplanten Therapien mit Nilotinib
  • Verdacht auf Morbus Meulengracht (Diagnostischer Hinweis bei persistierender, leichter Hyperbilirubinämie)

Klinische Relevanz der Varianten

Morbus Meulengracht (Gilbert-Syndrom)

Homozygote oder kombiniert heterozygote Träger der Varianten UGT1A1*28 und *6 weisen eine reduzierte Enzymaktivität auf, was zu einer leichten Erhöhung des unkonjugierten (indirekten) Bilirubins führt. Diese Erhöhung kann vor allem während des Fastens und nach körperlicher Anstrengung mit einem Sklerenikterus, unspezifischen abdominellen Beschwerden, Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit einhergehen. Diese Konstellation ist typisch für den Morbus Meulengracht, eine üblicherweise harmlose, aber häufig fehldiagnostizierte Stoffwechselvariante.

Irinotecan

Irinotecan wird als Topoisomerase-I-Inhibitor bei verschiedenen Tumorerkrankungen eingesetzt. Der aktive Metabolit, SN-38, wird in der Leber durch Glucuronidierung durch das Enzym UGT1A1 inaktiviert. Eine verminderte UGT1A1-Enzymaktivität (z. B. bei Trägern von UGT1A1*28/*28 oder UGT1A1*6/*6) kann zu schweren Nebenwirkungen, wie Neutropenie und Diarrhoe, führen. In diesen Fällen wird eine Dosisanpassung empfohlen (siehe auch Rote-Hand-Brief des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM).

Nilotinib

Auch bei der Therapie mit Nilotinib kann eine verminderte UGT1A1-Aktivität zu einer herabgesetzten Bilirubin-Ausscheidung und einer gesteigerten Hyperbilirubinämie mit erhöhtem Nebenwirkungs-Risiko führen. Die Kenntnis des Genotyps kann hier zu einer besseren Risikoabschätzung und Therapieanpassung beitragen. Die aktuelle Studienlage ist jedoch noch nicht ausreichend, um eine präventive Dosisreduzierung von Nilotinib auf Grundlage des UGT1A1-Status zu empfehlen.

Unser Testangebot

Unser molekulargenetisches Labor bietet die Analyse folgender Polymorphismen an:

  • UGT1A1 *28 (A(TA)7TAA-Promotorvariante)
  • UGT1A1 *6 (c.211G>A, Gly71Arg)

Die Testung erfolgt mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Schmelzkurvenanalyse. Die Ergebnisse werden in einem medizinischen Fachbefund zusammengefasst und liefern eine klare Empfehlung zur Interpretation im klinischen Kontext.

Der Autor

»Sie haben Fragen zum Artikel oder unserem neuen Diagnostikangebot? Kontaktieren Sie mich gerne.«

Dr. Dr. med. Armin Piehler, PhD MM

Bereichsleitung Klassische Hämatologie

T: +49 89 99017-357

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