Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potential (CHIP) in der Kardiologie

  • Methode:
  • Antikoagulans:
  • Empfehlung:
  • Methode:
    Zytomorphologie
  • Antikoagulans:
    EDTA
  • Empfehlung:
    obligat*
  • Methode:
    Immunphänotypisierung
  • Antikoagulans:
  • Empfehlung:
    nein
  • Methode:
    Chromosomenanalyse
  • Antikoagulans:
  • Empfehlung:
    nein
  • Methode:
    FISH
  • Antikoagulans:
  • Empfehlung:
    nein
  • Methode:
    Molekulargenetik
  • Antikoagulans:
    EDTA oder Heparin
  • Empfehlung:
    obligat


*bei positiver Molekulargenetik

Auf Basis der aktuellen Leitlinien und des aktuellen Forschungsstandes ergeben sich verschiedene diagnostische Empfehlungen für Patienten mit klonaler Hämatopoese von unbestimmten Potential in der Kardiologie. Wir haben Ihnen die wichtigsten Infos zur Klassifikation und den diagnostischen Methoden am MLL zusammengefasst. Zudem haben wir weiterführende Links und Literatur zu klonaler Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial zusammengestellt, damit Sie sich tiefergehend informieren können.

CHIP in der Kardiologie: Klassifikation

Unter der klonalen Hämatopoese von unbestimmtem Potential (clonal hematopoiesis of indeterminate potential, CHIP) versteht man das Vorliegen klonaler genetischer Veränderungen in Blut- oder Knochenmarkzellen bei Abwesenheit von Anzeichen einer hämatologischen Neoplasie und Fehlen einer Zytopenie (Steensma et al. 2015). Durch große Studien konnte gezeigt werden, dass bei Personen mit unauffälligem Blutbild zum Teil Genmutationen vorliegen, die bislang vorwiegend bei Patienten mit einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder einer myelodysplastischen Neoplasie (MDS) detektiert worden waren (Genovese et al. 2014, Jaiswal et al. 2014, Xie et al. 2014). Gemäß der WHO-Klassifikation 2022 wird CHIP zu den Vorläuferläsionen gezählt (WHO 2022).


CHIP-Definition der WHO 2022 (WHO 2022)

  • Nachweis einer oder mehrerer somatischer Mutationen mit Varianter Allelfrequenz (VAF) ≥2% (≥4% für X-chromosomale Genmutationen bei Männern) in der DNA von Blut- oder Knochenmarkzellen, die ausgewählte Gene betreffen (siehe Molekulargenetik, Tabelle 1)
  • Fehlen von unerklärlichen Zytopenien
  • Diagnosekriterien für myeloische Neoplasmen werden nicht erfüllt

 

CHIP ist bei Personen unter 40 Jahren selten und nimmt nach 65 Jahren stetig zu. Bei älteren Personen betrifft sie zwischen 10-40%, wobei die Prävalenz auch von der Sensitivität der diagnostischen Sequenziermethode abhängt (Haferlach & Heuser 2022, WHO 2022). Ähnlich wie bei Patienten mit MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) oder mit einer MBL (monoklonale B-Zelllymphozytose) zeigte sich auch bei Individuen mit CHIP ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer hämatologischen Neoplasie (Hoermann 2022 [1]). Die Transformationsrate ist jedoch gering. Hier können Sie sich über CHIP in der Hämatologie informieren. Einen deutlichen Zusammenhang konnte man hingegen zwischen dem Auftreten von CHIP und kardiovaskulären Erkrankungen feststellen (siehe CHIP in der Kardiologie: Merkmale).


Abgrenzung zu CCUS und MDS

CHIP ist auch ein mögliches Vorstadium einer myelodysplastischen Neoplasie (MDS) oder einer sonstigen hämatologischen Neoplasie, weist jedoch ein vergleichsweise geringes Progressionsrisiko auf (siehe Infoblatt Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potential - CHIP in der Hämatologie). Besteht bei Vorliegen einer klonalen Hämatopoese zusätzlich eine unklare Zytopenie, so wird dieses als CCUS (klonale Zytopenie unbestimmter Signifikanz) bezeichnet.

CHIP in der Kardiologie: Merkmale


Assoziation zwischen CHIP und kardiovaskulären Erkrankungen

Mittels Gesamt-Exom-Sequenzierung (d.h. Sequenzierung aller proteinkodierenden Gene) von über 17.000, nicht auf hämatologische Erkrankungen selektierten, DNA-Proben aus peripherem Blut zeigte sich eine Assoziation zwischen klonaler Hämatopoese und einer erhöhten Mortalität, wofür eine Erhöhungen des Risikos für koronare Herzkrankheit und ischämischen Insult als Ursache vermutet wurde (Jaiswal et al. 2014). Bei Patienten mit ungeklärter Erythrozytose, bei denen die diagnostischen Kriterien für eine MPN nicht erfüllt sind, konnte das Vorhandensein von CHIP mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität assoziiert werden (Wouters et al. 2020). Weitere Untersuchungen bestätigten den Zusammenhang zwischen CHIP und kardiovaskulären Erkrankungen.


CHIP, Atherosklerose und koronare Herzerkrankung

Jaiswal et al. untersuchten CHIP als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen in mehreren Fall-Kontroll-Studien mit mehr als 8.000 Probanden unter Berücksichtigung klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Diabetes mellitus, Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, Rauchen und Bluthochdruck) im Detail. Das Risiko für das Auftreten von koronarer Herzerkrankung war bei Vorhandensein von CHIP um den Faktor 1,9 erhöht; für das frühzeitige Auftreten von Myokardinfarkten vor dem 45. bzw. 50. Lebensjahr zeigte sich bei Vorhandensein von CHIP ein 4-faches Risiko. Die detaillierte Analyse verschiedener mutierter Gene zeigte ein besonders hohes Risiko für JAK2-Mutationen im Vergleich zu den häufiger vorkommenden Mutationen in den Genen DNMT3A, TET2 und ASXL1. Bei Probanden, bei denen noch kein Ereignis einer koronaren Herzerkrankung aufgetreten war, wurde ein Zusammenhang zwischen CHIP und koronar-arteriellem radiologischem Kalzifikationsgrad dokumentiert, was eine Rolle von CHIP im Voranschreiten der Atherosklerose nahelegt (Jaiswal et al. 2017). Insgesamt ist das mit CHIP assoziierte kardiovaskuläre Risiko zumindest in einer ähnlichen Größenordnung wie etablierte kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Zigarettenrauchen, Hyperlipidämie oder Bluthochdruck (Jaiswal & Ebert 2019, Jaiswal & Libby 2020). Aktuelle Studien legen auch einen Effekt von CHIP bei akuten kardialen Ereignissen nahe. So wurde bei Patienten mit Myokardinfarkt eine erhöhte Mortalität bei Vorhandensein von CHIP beschrieben (Wang et al. 2022). Ebenso zeigte sich im kardiogenen Schock eine gesteigerte Mortalität bei Patienten mit CHIP (Scolari et al. 2022).

Mehrere experimentelle Arbeiten zeigten zudem im Tiermodell, dass CHIP ursächlich für das Voranschreiten der Atherosklerose ist. Als Mechanismus werden fehlerhafte Entzündungsreaktionen der klonalen Blutzellen angenommen; insbesondere wurde für TET2-mutierte bzw. defiziente Monozyten/Makrophagen ein proinflammatorischer Phänotyp in atherosklerotischen Läsionen beschrieben (Fuster et al. 2017, Jaiswal et al. 2017). Darüber hinaus wurde durch die Blockade der Interleukin-1β-mediierten Entzündungsreaktion eine Verringerung der CHIP-assoziierten Atherosklerose im Mausmodell erreicht (Fuster et al. 2017). In diesem Zusammenhang ist es spannend, dass der 1β-neutralisierende Antikörper Canakinumab einen klinischen Effekt bei Patienten mit TET2-mutierter CHIP in einer Subgruppenanalyse der CANTOS Studie zeigte (Svensson et al. 2022). Bei Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung wurde nun festgestellt, dass CHIP mit einem ungünstigen Outcome assoziiert ist – insbesondere bei Vorliegen von Mutationen in TET2 oder im Spleißosom (SF3B1/SRSF2/U2AF1) (Gumuser et al. 2023).


CHIP und Insult

Neben kardialen Erkrankungen, wurde kürzlich auch ein Zusammenhang von CHIP mit anderen vaskulären Erkrankungen beschrieben. In einer großen Biobankstudie zeigte sich bei Personen mit CHIP ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Insults, wobei sowohl hämorrhagische als auch ischämische Schlaganfälle beobachtet wurden (Bhattacharya et al. 2022). Eine detaillierte Analyse an 248 Patienten mit Insult vor dem 60. Lebensjahr zeigt eine etwa 3-fach höhere Prävalenz in dieser Kohorte. Insbesondere wurden im Rahmen der Folgeuntersuchungen einzelne Patienten mit therapiebedürftiger myeloproliferativer Neoplasie identifiziert (Mayerhofer et al. 2023).


CHIP und Aortenklappenstenose

In einer Kohorte von 279 Patienten mit degenerativer Aortenklappenstenose ohne hämatologische Erkrankungen wurde der Einfluss von CHIP auf das Gesamtüberleben nach Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) untersucht. In den ersten 8 Monaten nach Eingriff war das Überleben bei Patienten mit somatischen Mutationen in den Genen DNMT3A oder TET2 signifikant schlechter als bei Patienten ohne solche Mutationen (p=0,012). Insgesamt war das Mortalitätsrisiko bei Vorhandensein von Mutationen in den Genen DNMT3A oder TET2 um das 3,1-fache erhöht (Mas-Peiro et al. 2020). Folgeuntersuchungen bestätigten den Effekt von CHIP in dieser Patientengruppe auch im Langzeitüberleben nach 4 Jahren Follow-up (Mas-Peiro et al. 2023).


CHIP und Herzinsuffizienz

Eine andere Studie untersuchte die Rolle von CHIP in einer Kohorte von 200 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nach erfolgreich revaskularisiertem Myokardinfarkt. CHIP wurde in dieser Patientengruppe häufig detektiert (18,5%) und war mit einem signifikant schlechteren Langzeitüberleben assoziiert (p=0,003). Auch für einen kombinierten Endpunkt aus Tod und Rehospitalisierung wegen Herzinsuffizienz waren die Daten in einer medianen Beobachtungsdauer von 4,4 Jahren für Patienten mit Mutationen in den Genen DNMT3A und TET2 signifikant schlechter als für Patienten ohne CHIP-assoziierte Mutationen (p=0,001). Diese Assoziation von CHIP mit eingeschränktem Langzeitüberleben und rascherer Krankheitsprogression von ischämischer Herzinsuffizienz zeigte sich, obwohl es in den Gruppen keine Unterschiede im Ausgangsniveau der Herzinsuffizienz nach New York Heart Association (NYHA) Klassifikation, Seattle Heart Failure Model (SHFM) Score, linksventrikulärer Ejektionsfraktion, oder dem Serumspiegel von N-terminalem pro-B-Typ natriuretischem Peptid (NT-proBNP) gab (Dorsheimer et al. 2019). Ein beschleunigtes Fortschreiten der Herzinsuffizienz konnte zudem mit DNMT3A- oder TET2-Mutationen assoziiert werden (Pascual-Figal et al. 2021). Prospektiv konnte CHIP insgesamt mit einem um 25% erhöhten Risiko für das Auftreten einer Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht werden (Yu et al. 2021). Wiederum konnte im Tiermodell ein ursächlicher Zusammenhang zwischen TET2-mutierten bzw. defizienten proinflammatorischen Monozyten/Makrophagen im Myokard und dem Voranschreiten ischämischer Herzinsuffizienz mit vermehrter kardialer Fibrose und verminderter Ejektionsfraktion gezeigt werden (Sano et al. 2018). Auch für klonale Hämatopoese mit Verlust des Y-Chromosoms wurde ein mechanistischer Zusammenhang mit kardialer Fibrose und Herzinsuffizienz-Mortalität gezeigt (Sano et al. 2022).

CHIP in der Kardiologie: Diagnostische Methoden und ihre Bedeutung

CHIP in der Kardiologie: Empfehlung

Das Vorhandensein einer CHIP kann sich als Zufallsbefund aus der DNA Sequenzierung einer Person bei hämatologischer, onkologischer oder humangenetischer Indikation ergeben und erfordert ein multidisziplinarisches Management, das Hämatologie/Onkologie, Kardiologie, Innere Medizin, klinische Pathologie/Labormedizin, klinische Genetik und Bioinformatik umfasst (Bolton et al. 2020, Hoermann 2022 [1], Hoermann 2022 [2]).
Aus kardiologischer Sicht wird ein Screening auf das Vorliegen einer CHIP derzeit nicht allgemein empfohlen, da es noch keine ausreichende Evidenz für die spezifische Behandlung des kardiovaskulären Risikos von Patienten mit CHIP gibt. Die Indikation zu einer molekulargenetischen Analyse auf das Vorliegen von CHIP sollte daher bei kardiologischen PatientInnen nur im Einzelfall bei unklarer Risikosituation gestellt werden (Jaiswal & Libby 2020). Gegenwärtig bleibt das CHIP-assoziierte Risiko in den traditionellen kardiovaskulären Risikomodellen noch unberücksichtigt, obwohl es zumindest in einer ähnlichen Größenordnung wie etablierte kardiovaskuläre Risikofaktoren liegt. Aktuell fehlt es noch an evidenzbasierten Empfehlungen oder Therapien, die darauf abzielen, das CHIP-assoziierte kardiovaskuläre Risiko spezifisch zu senken. Die Empfehlung hinsichtlich des kardiologischen Managements von Patienten mit CHIP ist daher eine individualisierte Risikobewertung und Beratung, um das Bewusstsein der Patienten zu schärfen und das kardiovaskuläre Gesamtrisiko durch die strenge Einhaltung einer leitlinienkonformen primären und sekundären Prävention zu verringern (Bolton et al. 2020, Jaiswal & Libby 2020).

Für das hämatologische Management wird bei Patienten mit CHIP und normalem Blutbild in regelmäßigen Abständen (zunächst nach 3 Monaten, später alle 12 Monate) ein Differenzialblutbild empfohlen, um eine mögliche Progression zu erfassen. Liegt bei einem Patienten mit CHIP eine periphere Zytopenie unklarer Ursache vor, wird initial eine weiterführende hämatologische Abklärung inklusive Knochenmarkpunktion und genetischer Analyse empfohlen. In Folge wird für 3 Monate ein monatliches Differenzialblutbild sowie anschließend ein Differentialblutbild alle 3 Monate empfohlen (Heuser et al. 2016, Haferlach & Heuser 2022) (siehe auch Klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potential (CHIP) in der Hämatologie).

Stand: März 2024

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