Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Medizin: Chancen nutzen – Verantwortung übernehmen

24. Juni 2025

Das Gesundheitswesen steht an einem Wendepunkt: Während generative künstliche Intelligenz (KI) im Alltag vieler Menschen längst selbstverständlich geworden ist, bleibt ihr strukturierter und professioneller Einsatz in der medizinischen Versorgung in Deutschland bislang hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Kluft zwischen Alltagspraxis und Systemwirklichkeit wird zunehmend zum Problem – für Patientinnen und Patienten, Leistungserbringende und den Standort Deutschland.

Am MLL und MLL MVZ setzen wir seit Jahren auf digitale und automatisierte Verfahren in der Diagnostik. Unser Ziel: eine präzisere, schnellere und personalisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten. Wir sehen die Potenziale, aber auch die Hindernisse und wir glauben, dass es jetzt klare Entscheidungen und ein neues Mindset braucht.

Eine Reihe von Handlungsfeldern sind entscheidend, um die digitale Medizin in Deutschland verantwortungsvoll und wirksam voranzubringen:

Klare Rahmenbedingungen schaffen und Innovation fördern

Deutschland hinkt bei der grundsätzlichen Implementierung digitaler Gesundheitslösungen und KI-gestützter Systeme hinterher. Das liegt weniger an fehlender Technologie als an überregulierten Strukturen, langsamen Prozessen und einer Haltung des Misstrauens gegenüber Neuem. Beispielsweise sorgt das Spannungsfeld zwischen EU AI Act und Medical Device Regulation aktuell für erhebliche Verunsicherung bei Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Doppelte Zulassungsanforderungen, widersprüchliche Bewertungskriterien und fehlende Priorisierungen gefährden Innovationen, bevor sie überhaupt erprobt werden können.

Unser Appell daher: Ein „Testen-und-Lernen“-Ansatz muss regulatorisch ermöglicht und begleitet werden. Es braucht dafür keine weiteren Kommissionen, sondern klare Entscheidungen und pragmatische Pilotprojekte – gerade im hochrelevanten Bereich medizinischer KI-Anwendungen, wie der Krebsforschung.

KI-Systeme als Partner in der Medizin

Zwei kürzlich in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studien zeigen eindrucksvoll, was inzwischen möglich ist. Das KI-System AMIE (Articulate Medical Intelligence Explorer) führte in simulierten Patientengesprächen strukturiertere und empathischere Dialoge und stellte genauere Diagnosen als erfahrene Ärztinnen und Ärzte.

Die Studienergebnisse belegen, dass moderne KI-Systeme nicht nur analytisch, sondern auch kommunikativ auf hohem Niveau arbeiten können. Gerade in komplexen Fachgebieten wie der Hämatologie, wo große Datenmengen und seltene Krankheitsbilder zusammentreffen, können KI-gestützte Systeme ärztliche Entscheidungen so gezielt unterstützen. 

Gesundheitsdaten nutzen – für Forschung, Versorgung und Prävention

Ohne den verantwortungsvollen Zugang zu vernetzten, pseudonymisierten Gesundheitsdaten bleiben viele Innovationen in Deutschland auch weiterhin auf der Strecke. Während andere Länder längst patientenzentrierte und datengestützte Versorgungssysteme etablieren, bremsen hierzulande Datenschutzängste, föderale Strukturen und fehlende Interoperabilität die Entwicklung aus.

Dabei steht Datenschutz nicht im Widerspruch zu medizinischer Forschung, sondern muss als Ermöglicher gedacht werden. Was es braucht, ist ein klarer, rechtssicherer und ethisch fundierter Rahmen für die Nutzung medizinischer Daten – im Interesse der Patientinnen und Patienten sowie der wissenschaftlichen Exzellenz.

Digitale Infrastruktur ausbauen

Ob elektronische Patientenakte, e-Rezept oder sicherer Datenaustausch – die digitale Infrastruktur des deutschen Gesundheitswesens bleibt in weiten Teilen lückenhaft. Die Gematik arbeitet zwar mit ambitionierten Roadmaps, doch der reale Fortschritt wird von Zuständigkeitskonflikten, Systemfragmentierung und einem schwerfälligen Verwaltungsapparat ausgebremst. Eine positive Kommunikation für die Bevölkerung fehlt. Die Folge: Insellösungen, hohe Kosten und wenig Nutzen.

Gleichzeitig treiben internationale Tech-Konzerne die Entwicklung universeller KI-Plattformen mit hoher Alltagstauglichkeit voran – Systeme, die weit über Chatbots hinausgehen und zunehmend auch in Fragen der Gesundheit Orientierung bieten. Wenn diese Anwendungen den Patientinnen und Patienten näher sind als das nächste Update der Telematik-Infrastruktur, droht ein Realitätsverlust des Systems.

Bildung, Haltung und Kulturwandel für die Medizin von morgen

Die Integration von KI und Digitalisierung in den medizinischen Alltag ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe. Noch immer empfinden viele digitale Systeme eher als Bedrohung, statt als Entlastung. Dabei ist klar: Nur wer KI versteht, kann sie verantwortungsvoll einsetzen. KI ist weder Allheilmittel noch Gegner, sondern ein Werkzeug, das sinnvoll in den Versorgungsalltag integriert werden muss.

Die Integration von KI-Kompetenzen in Aus- und Weiterbildung, ein praxisnahes Verständnis sowie eine offene Diskussion über Ethik und Verantwortung sind der empfehlenswerte Ansatz. Der Mensch bleibt im Zentrum der Medizin, aber digitale Systeme können helfen, Versorgung menschlicher, zugänglicher und effektiver zu gestalten.

Am MLL und MLL MVZ setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein, dass Forschung, Diagnostik und Versorgung gemeinsam weitergedacht werden – im Sinne unserer Patientinnen und Patienten, im Sinne eines zukunftsfähigen Gesundheitsstandorts Deutschland.

Der Autor

»Sie haben Fragen zum Artikel? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Roman Möhlmann

Abteilungsleitung Unternehmenskommunikation & Marketing
Presse- und Medienkontakt

T: +49 89 99017-547

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