Diagnostisches Potenzial von immunphänotypischen Aberrationen bei MDS

Die Diagnose von Myelodysplastischen Neoplasien (MDS) und ihre Einteilung in Subgruppen erfolgte lange Zeit anhand zytomorphologischer Merkmale. Die Zytomorphologie spielt auch heute noch eine große Rolle, jedoch wurden die diagnostischen Kriterien nach Einführung der WHO-Klassifikation von Tumoren des hämatopoetischen und lymphoiden Gewebes um zytogenetische Kriterien ergänzt. Inzwischen ist bekannt, dass eine integrierte Diagnostik, zu der auch Immunphänotypisierung und Molekulargenetik gehören, von großer Bedeutung ist.

Mithilfe der Immunphänotypisierung können bei vermuteten oder gesicherten MDS aberrante Antigenexpressionsmuster detektiert werden. So werden wertvolle Hinweise für die Diagnosestellung und Prognose gewonnen. Die Arbeitsgruppe „International MDS-Flow (iMDS-Flow)“ des „European LeukemiaNet (ELN)“ validierte in einer aktuellen prospektiven und multizentrischen Studie die Bedeutung verschiedener immunphänotypischer Marker und identifizierte zudem wichtige Parameter, die zum klinischen Nutzen der Immunphänotypisierung in der MDS-Diagnostik beitragen (Kern et al. Cytometry B Clin Cytom 2022).

Die immunphänotypische Detektion von MDS hängt von einer Kombination an MDS-assoziierten Aberrationen ab und bisher konnte sich kein durchflusszytometrischer Score als Goldstandard durchsetzen. In der hier beschriebenen Studie konnten nun 17 verschiedene immunphänotypische Parameter identifiziert werden, die in mindestens einer der Untergruppen (Niedrigrisiko-MDS, Hochrisiko-MDS, CMML) oder der Gesamtkohorte unabhängig voneinander mit MDS oder CMML in Zusammenhang stehen. Außerdem zeigten die durchflusszytometrischen Ergebnisse bei Anwendung eines Cut-off-Wertes von drei unabhängig voneinander auftretenden MDS/CMML-bezogenen Aberrationen eine Übereinstimmung von über 80% mit der Zytomorphologie – und das unabhängig von der Anzahl der betroffenen Zellkompartimente. Bei Hochrisiko-MDS-Patienten lag die Übereinstimmung sogar bei über 90%.

Als starker Indikator für MDS konnte ferner der prozentuale Anteil von myeloischen Progenitorzellen (MPC) identifiziert werden, der mit dem Krankheitsrisiko korreliert. Ein Cut-off von >3% MPCs, die mittels Durchflusszytometrie nachgewiesen wurden, war hierbei stark mit MDS/CMML assoziiert (98% der Fälle mit mehr als 3% MPCs wiesen zytomorphologisch ein MDS auf) und kann daher – analog zu dem Wert von 5% Blasten in der Zytomorphologie – bei der diagnostischen Entscheidung verwendet werden.

Die iMDS-Flow Arbeitsgruppe schlägt vor, die 17 ermittelten Parameter als Kernsatz von Markern obligatorisch zur immunphänotypischen Bewertung von MDS-Verdachtsfällen in die Routinediagnostik zu integrieren. Wo immer möglich, sollten zusätzliche Marker untersucht werden, die in den Empfehlungen des ELN aufgeführt werden. So kann eine möglichst umfassende Bewertung gewährleistet werden. Die hohe Übereinstimmung der Ergebnisse aus Immunphänotypisierung und Zytomorphologie über Risikogruppen und Subgruppen hinweg zeigt zudem, wie wichtig ein integrierter diagnostischer Ansatz ist.

Referenzen:

Kern W et al. Multicenter prospective evaluation of diagnostic potential of flow cytometric aberrancies in myelodysplastic syndromes by the ELN iMDS flow working group. Cytometry B Clin Cytom 2023;104(1):51-65.

Der Autor

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Prof. Dr. med. Wolfgang Kern

Geschäftsführung
Internist, Hämatologe und Onkologe
Stellvertretende Bereichsleitung Immunphänotypisierung

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