CLL: je komplexer der Karyotyp, umso ungünstiger die Prognose

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste leukämische Erkrankung in Mitteleuropa. Neben klinischen Prognosefaktoren haben einige genetische Risikofaktoren einen negativen Einfluss auf Ansprechrate und Gesamtüberleben.


Genetische Risikofaktoren der CLL

In den Onkopedia Richtlinien1 wird die Untersuchung folgender genetischer Risikofaktoren vor Einleitung einer Therapie empfohlen:

  • TP53-Deletion (del(17p13))
  • TP53-Mutation
  • komplexer Karyotyp
  • unmutierter IGHV Status

Das Vorliegen mindestens eines dieser Risikofaktoren beeinflusst die Therapie der Patienten, da in diesen Fällen der Einsatz von BTK Inhibitoren (z.B. Ibrutinib) oder die Kombination aus Venetoclax/Obinutuzumab in der Erstlinientherapie empfohlen wird1.

Komplexer Karyotyp als prognostischer Faktor

Etwa 20% aller CLL-Patienten zeigen einen komplexen Karyotyp, jedoch wird seit längerem diskutiert, ab welcher Anzahl an Aberrationen der stärkste prognostische Effekt zu beobachten ist2,3. Neue Daten schlüsseln diesen Zusammenhang nun weiter auf, indem das Überleben von 456 mit Ibrutinib behandelten CLL-Patienten abhängig von der Anzahl chromosomaler Veränderungen untersucht wurde4. Die Patienten wurden in Subgruppen anhand der Anzahl der Aberrationen bei Erstdiagnose unterteilt (0, 1-2, 3-4, 5-9, 10-14, ≥15). Die Autoren konnten nun zeigen, dass die Komplexität des Karyotyps eine kontinuierliche Variable für das Überleben darstellt: Patienten mit 1-2 Aberrationen zeigten ein progressionsfreies Überleben von 67 Monaten, das Vorliegen von 5-9 Aberrationen reduzierte dieses auf 45 Monate, bei ≥15 Veränderungen sank es weiter auf 19 Monate. Somit wird deutlich, dass nicht nur das Vorliegen eines komplexen Karyotyps an sich, sondern die Anzahl der Veränderungen einen Einfluss auf die Prognose ausübt. Für einige Patienten wurden zudem Proben im Verlauf der Erkrankung analysiert, auch hier wurde deutlich, dass eine Zunahme der chromosomalen Veränderungen mit einer schlechteren Prognose assoziiert war.

Die Rolle der Chromosomenanalyse in der Risikostratifizierung der CLL

Obwohl mehrere Leitlinien (z.B. Onkopedia) eine Analyse des komplexen Karyotyps vor Therapiebeginn empfehlen, ist die Chromosomenanalyse bislang nicht als fester Bestandteil der CLL-Diagnostik etabliert. FISH (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) Analysen zur Detektion häufiger bzw. prognostisch relevanter Veränderungen werden standardmäßig durchgeführt, können jedoch keine Gesamtanzahl an Aberrationen bestimmen, da keine genomweite Analyse mittels FISH möglich ist. Die neuen Daten zeigen nicht nur die Bedeutung des komplexen Karyotyps als kontinuierlicher prognostischer Marker, sondern unterstreichen auch die Rolle der Chromosomenanalyse in der CLL Diagnostik, sowohl bei Erstdiagnose als auch im Verlauf der Erkrankung. Als alternative Methode kommen grundsätzlich whole-genome sequencing (WGS) Analysen in Betracht, die jedoch aktuell aus Kostengründen noch keine Standardoption in der CLL Diagnostik darstellen.

Referenzen

1www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/chronische-lymphatische-leukaemie-cll/@@guideline/html/index.html

2Haferlach C, Dicker F, Schnittger S, Kern W, Haferlach T. Comprehensive genetic characterization of CLL: a study on 506 cases analysed with chromosome banding analysis, interphase FISH, IgV(H) status and immunophenotyping. Leukemia. 2007; 21(12):2442-2451.

3Baliakas P, Jeromin S, Iskas M, et al; ERIC, the European Research Initiative on CLL. Cytogenetic complexity in chronic lymphocytic leukemia: definitions, associations, and clinical impact. Blood. 2019;133(11):1205-1216.

4Kittai AS, Miller C, Goldstein D, et al. The impact of increasing karyotypic complexity and evolution on survival in patients with CLL treated with ibrutinib. Blood. 2021;138(23):2372-2382.

Die Autorin

»Sie haben Fragen zum Artikel oder wünschen weitere Informationen? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.«

Dr. rer. nat. Anna Stengel

Biochemikerin, M.Sc.

T: +49 89 99017-471