Die Bedeutung der NGS-Diagnostik bei (Verdacht auf) AML

In der letzten Ausgabe (1/2019) stellten die MLL News einen kürzlich in Blood erschienenen Artikel zum Einsatz der Hochdurchsatzsequenzierung bei (unklarer) Zytopenie und MDS vor (Steensma et al. 2018). Auch in der AML-Diagnostik nimmt das Next-Generation Sequencing (NGS) schon heute eine zentrale Rolle ein und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Daher liegt der Fokus in dieser Ausgabe der MLL News auf den aktuellen und zukünftigen Aufgaben einer erweiterten molekulargenetischen Diagnostik bei (Verdacht auf) AML.

Zwei Machbarkeitsstudien deuten darauf hin, dass NGS zukünftig ein wichtiges Instrumentarium sein könnte, um das Risiko einer AML-Progression von Individuen mit klonaler Hämatopoese unbestimmten Potenzials (CHIPclonal hematopoesis of indeterminate potential) einzuschätzen (Desai et al. Nat Med 2018, Abelson et al. Nature 2018). In retrospektiven Studien gelang es beiden Forschungsgruppen, mittels NGS-basierter Mutationsanalyse ein Vorhersage-Modell zu entwickeln, das die Prädiktion einer AML bis zu zehn Jahre vor der klinischen AML-Diagnose erlaubt. Aktuell fehlen Therapeutika für eine frühe Intervention ebenso wie prospektive Studien zu Machbarkeit und klinischem Nutzen einer AML-Vorhersage. Dennoch verdeutlichen beide Studien das Potenzial der Molekulardiagnostik - auch hinsichtlich der Früherkennung myeloischer Neoplasien. Dies gilt nicht nur für die AML, sondern auch für MDS und (unklare) Zytopenien (vgl. auch MLL News 1/2019).

In der aktuellen WHO-Klassifikation sind drei AML-Subtypen molekulargenetisch definiert: AML mit NPM1-, RUNX1- und biallelischer CEBPA-Mutation. Die NGS-Diagnostik ist hier wesentlich in der Diagnosestellung. Auch für die Risikostratifikation gemäß ELN-Empfehlungen (Döhner et al. Blood 2017) und nach MRC (Grimwade et al. Blood 2016) muss der Mutationsstatus bestimmter Gene bekannt sein. Hierzu gehören in beiden Klassifikationen Mutationen in NPM1, FLT3-ITD, CEBPA (biallelisch), RUNX1, ASXL1 und TP53. Zusätzlich berücksichtigt die MRC-Einteilung KMT2A-PTD und DNMT3A-Mutationen. 

Therapeutische Relevanz besitzt der Mutationsnachweis bislang für FLT3, hier steht der Tyrosinkinase-Inhibitor Midostaurin zur Verfügung. Ein IDH2-Inhibitor befindet sich derzeit im europäischen Zulassungsverfahren. Der Nachweis von KIT-Mutationen sollte bei der Wahl der geeigneten Konsolidierungstherapie bei AML mit t(8;21) sowie inv(16) bzw. t(16;16) berücksichtigt werden (NCCN AML-Guideline 2.2019). Vor diesem genetischen Hintergrund wurde in Studien in Anwesenheit einer KIT-Mutation unter der Standardtherapie mit Hochdosis-Cytarabin eine erhöhte Inzidenz von Rezidiven und z.T. ein verringertes Gesamtüberleben beobachtet.

Für Patienten mit AML berichteten Jongen-Lavrencic et al. 2018 im NEJM von der erheblichen Bedeutung der NGS-Diagnostik für die Bestimmung der messbaren Resterkrankung (MRDmeasurable residual disease). Bei 89% der Patienten war mindestens eine Mutation nachweisbar, durchschnittlich wurden 2,9 Mutationen detektiert. Die Studie verdeutlichte, wie die genetische Charakterisierung mittels NGS-Panel bei Diagnose den Grundstein für die spätere MRD-Bestimmbarkeit legen kann. Nach Induktionstherapie war der Nachweis persistierender Mutationen eng mit einem erhöhten Rezidivrisiko verbunden. Ausgenommen von diesem Effekt waren allein Mutationen in Genen, die klassischerweise mit CHIP assoziiert sind: DNMT3A, TET2 und ASXL1. Dies könnte in Zukunft eine molekulargenetische MRD-Diagnostik für praktisch alle AML-Subtypen ermöglichen. 

Die Autorin